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Egal ob an Bushaltestellen, Mülleimern, Stromkästen oder Fassaden: Spätestens seit den 70er Jahren sind Graffitis in fast allen deutschen Städten ein fester Bestandteil des Stadtbildes geworden. Auf der einen Seite entstehen Graffitis oftmals illegal, auf der anderen Seite konnte sich Graffiti in den letzten zehn Jahren als anerkannte Kunstform etablieren. Während einige Graffiti als eine Abbildung der städtischen, aber auch überregionalen Popkultur verstehen, kritisieren andere sie als Farbschmierereien und Vandalismus. Doch wie sehen das die Künstler selbst, und was macht für sie Graffiti-Kunst und die Szene aus? SUB taucht in diesem Webprojekt in die Welt der Graffiti-Künstler ein. Was steckt hinter den bemalten Wänden und bunten Schriftzügen? Wir haben mit vier Sprayern aus verschiedenen Städten gesprochen und sie gefragt, was Graffiti für sie ausmacht – und was es ihnen bedeutet. Pascal Lorenz alias Riot184 aus Landau, Thomas Lesser alias Dangercomfort aus Berlin, Andreas Pistner alias Iron Monkey aus Wiesbaden und Sebastian Stehr alias Indian aus Frankfurt haben uns Rede und Antwort gestanden.
Die Graffiti-Szene ist für mich... ...Familie. Und der Ort, an dem ich mich am Freisten ausdrücken kann. Irgendwo mein Lebensmittelpunkt und etwas, das ich nicht missen möchte in meinem Leben.
Die Graffiti-Szene ist für mich... ...wahrscheinlich das zweitwichtigste in meinem Leben (Family First!). Einige Freundschaften aus der Szene halten schon seit über 15 Jahren.
Die Graffiti-Szene ist für mich... ...eine Form von Freiheit. Mir tut es einfach gut, mich künstlerisch völlig frei auszuleben.
Die Graffiti-Szene ist für mich... ...ein unglaublich wichtiger Teil meines Lebens.
© DANGERCOMFORT
Jeder kennt die bunt bemalten Wände, jede Stadt hat ihre eigenen vorzuweisen – doch sie alle haben eins gemeinsam: Sie wurden von Menschen gemalt, die ihre Leidenschaft im Sprühen von Graffitis gefunden haben. Während des Sprühens treten alltägliche Probleme in den Hintergrund, und nur noch eins zählt: Das Malen. Sich künstlerisch frei auszudrücken.
„Beim Malen kann man komplett ausschalten. Man fühlt sich einfach frei und losgelöst von Alltagsproblemen und kann seiner Kreativität freien Lauf lassen.“ - riot184
Für Riot184 bedeutet Graffiti, den Moment zu leben: „Es gibt nur dich und die Wand.“ Aus anfänglichen Ideen entstehen im Laufe des Tages bunte Kombinationen aus Farben, Formen und Mustern. Dabei ist der Prozess genauso wichtig wie das Ergebnis selbst. Es gibt Bier, Musik, und man verbringt den ganzen Tag an der frischen Luft – für Dangercomfort wesentliche Gründe, die den Spaß am Sprühen ausmachen: „So kann ich einfach komplett ausschalten!“. Graffitis sind aber nicht nur Ausdruck künstlerischer Freiheit – Graffitis sind vielmehr Tageswerke, die hart erarbeitet werden müssen. Anders als in Vereinen finanziert sich jeder seine Utensilien selbst. Eine Sprühdose kostet etwa 3,50€, für ein Graffiti normaler Größe werden mindestens zehn Dosen benötigt. Graffitis sind daher meistens wohlüberlegt und im Voraus in Skizzenbüchern entworfen worden.
© MANUEL GERULLIS
Für viele Außenstehende gilt die Graffiti-Szene als verboten, verrucht und nur schwer zugänglich. Die Künstler sind oft unbekannt, fast schon anonym. Nur ihre Namen sind bekannt, von Wänden abzulesen, in bunten, gesprühten Schriftzügen. Dabei ist die Graffiti-Szene keineswegs anonym, sondern eine bunte Mischung aus Freundeskreisen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Der Einstieg ist deshalb nicht gerade einfach. Trotzdem – wer einmal Fuß gefasst hat, wird rasch aufgenommen. Und dann geht es schnell: Ein Kontakt ergibt den nächsten, und mit der Zeit ergibt sich ein großer Freundeskreis – mit einer großen, gemeinsamen Leidenschaft.
Die Graffiti-Szene lässt sich nur schwer kategorisieren. Es gibt nicht die Community, sondern lockere Zusammenschlüsse mehrerer kleiner Gruppen – sogenannte Crews. Diese Crews sind extrem vielfältig und bilden in ihrer Gesamtheit die volle Bandbreite der Gesellschaft ab. Das Besondere daran: es handelt sich um rein freiwillige, ungezwungene Freundschaften. Ein Freundeskreis außerhalb des alltäglichen Standardumfeldes, der nur aus einem gemeinsamen Interesse entstanden und daher unabhängig von anderen Faktoren ist. Es gibt eine Leidenschaft, die eine Crew zusammengeführt und vereint hat – alles andere spielt keine Rolle. Dangercomfort beschreibt diese ungezwungenen Freundschaften als „familiäres Miteinander, in der Kritik auch offen angesprochen werden kann.“ So festigt sich nach und nach ein lockeres Netzwerk. "Man kennt sich mit der Zeit untereinander", so Iron Monkey.
„Graffiti schafft eine Heimat immer da, wo ich hingehe.“ - riot184
Das macht sich vor allem dann bezahlt, wenn man in eine neue Stadt kommt, oder ein fremdes Land besucht – wer in der Graffiti-Szene gut vernetzt ist, ist nie allein und findet überall Anschluss. Vor allem in kleineren Städten oder ländlichen Gebieten sind die Crews und Einzelkünstler offen für Neues. Laut Riot184 freuen sich Künstler, dass es auch andere gibt, die dieselbe Leidenschaft teilen. In Großstädten wie Berlin ist das nicht immer der Fall, wie uns Dangercomfort berichtet. Weil es so viele Einzelkünstler und gefestigte Crews gibt, fehlt häufig das Interesse am anderen – eine Entwicklung, die vor allem die Graffiti-Sprüher kritisch betrachten, die es anders kennen gelernt haben. „Das ist einfach schade, wenn jeder für sich bleibt“, so Dangercomfort.
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Der Anfang einer Graffiti-Karriere beginnt meist lokal oder im eigenen Umfeld. "Je länger man aber dabei ist und je besser man wird, desto mehr Sprüher lernt man kennen", erzählt uns Iron Monkey. Mit der Zeit ergeben sich deutschlandweite, teilweise sogar internationale Kontakte. Es findet ein lockerer Austausch über aktuelle Projekte, neue Spots oder andere Themen statt – oder man trifft sich, um zusammen zu sprühen. So ergibt sich irgendwann ein Netzwerk, das die ganze Welt umspannen kann und auch im Urlaub nützlich ist. Wer direkt einen Ansprechpartner in einem fremden Land hat, lernt dieses viel besser kennen und erhält völlig andere Einblicke in die Kultur, fernab von touristischen Hotspots und überfüllten Sehenswürdigkeiten. Einheimische Tipps von lokalen Graffiti-Künstlern, gemeinsames Essen, und gemeinsame Graffiti-Sessions können einen Ausflug ganz besonders machen und für unvergleichbare Erlebnisse sorgen. Ob also zu Hause oder im Urlaub – Graffiti hat die ganze Welt erobert und verbindet Künstler aus allen Ländern und Nationen.
Die moderne Graffiti-Kunst ist in den 70er Jahren aus der HipHop-Szene in New York entstanden. Während es sich zu Beginn noch um einfache Schriftzüge handelte, wurde nach und nach immer mehr experimentiert. So haben sich mit der Zeit die unterschiedlichsten Styles entwickelt. Früher war die Graffiti-Szene zudem eng mit der Hip-Hop Szene verbunden. Seit den 80er Jahren hat sich die Graffiti-Kunst dann nicht nur in den USA verbreitet, sondern ist auch in Europa angekommen. Auch in Deutschland ist diese Kunstform seit Mitte der 80er Jahre verbreitet.
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Graffiti-Künstler sprühen selten unter ihren bürgerlichen Namen. Die meisten haben einen Künstlernamen, der entweder innerhalb einer Crew vergeben wird, oder der selbst ausgesucht wird. Oft besteht dieser Name aus einer Kombination aus Buchstaben oder Zahlen, die der Künstler gut findet – oder die eine bestimmte Bedeutung haben. Der richtige Name ist also extrem wichtig, denn er sorgt dafür, dass andere die eigenen Bilder anhand einer Signierung erkennen. Wie eine Art „Handschrift“ repräsentiert der Name den Graffiti-Künstler. Er steht unter jedem seiner Graffitis, oder er wird in großen Buchstaben auf eine Wand gemalt. Der Künstlernamen ist mehr oder weniger ein Zeichen für „Ich war hier!“.
„Es wäre irgendwie befremdlich, meinen richtigen Namen überall draufzusprühen.“ – dangercomfort
Bei legalen Sprühern ist der Künstlernamen also eine Art Markenzeichen. Anders sieht das allerdings in der illegalen Graffiti-Szene aus. Weil es hohe Strafen auf illegales Sprühen gibt, verbirgt ein Künstlername in diesem Fall ein Stück weit die wahre Identität. Der Name ist ein Zeichen, der wie ein Mythos einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangen soll. Besonders ist das bei illegalen Aktionen der Fall, bei denen die Sprüher einem hohen Risiko ausgesetzt sind und viel Organisation dahintersteckt – das soll auch anerkannt werden. Jeder, der diese Graffitis sieht, soll sehen, wer dahintersteckt. Das Pseudonym ist in diesem Fall fast wie eine Art Hinweis, die auf Zügen, an Bahnlinien oder an sonstigen illegalen Flächen verbreitet wird. Ob aber in der legalen oder in der illegalen Szene – die Bedeutung eines Künstlernamens ist groß. Interessant zu wissen: Auch Crews haben einen Namen, der in ihren Graffitis auftaucht und denselben Zweck wie ein Künstlername erfüllt. Das gilt (wie immer) nicht für alle – lockerere Gruppierungen wollen zum Beispiel bewusst keinen Namen. Ihnen geht es eher um das gemeinsame Event, zusammen mit Freunden zu malen. Und ein Name ist dafür nicht nötig.
Um die Graffiti-Kultur hat sich im Laufe der Zeit ein ungeschriebenes Regelwerk erschaffen. Wie uns Riot184 berichtet, gibt es zwei große Regeln, die den Respekt untereinander betreffen und für jeden gelten – egal ob legaler Hobbymaler, oder illegaler Sprüher. Regel Nummer 1: Kein Chrom über Farbe! Was steckt dahinter? Chrom wird meistens für Graffitis verwendet, die schnell fertig werden müssen – es trocknet rasch, und füllt große Flächen problemlos und deckend. Deswegen greifen illegale Sprüher gerne zu Chromfarben. Ihnen bleibt nur wenig Zeit, und die Gefahr erwischt zu werden, ist hoch. Legale Graffitikünstler dagegen haben keinen Zeitdruck und arbeiten lieber mit Farben. „Wir können so viel aufwändigere Graffitis malen!“, erzählt uns Iron Monkey. Für alle Mitglieder der Szene gilt deshalb: Zerstöre kein aufwändiges Bild, weil du schnell etwas darübersprühen willst! Regel Nummer 2: Übermale kein Graffiti, das besser ist als das, das du geplant hast. Sehr gute und aufwändige Graffitis bleiben meist länger an einer Wand stehen, ohne übersprüht zu werden. Das ist eine Frage des Respekts und die wichtigste Regel, wenn man in der Graffiti-Szene Fuß fassen will. Wer sich also richtig verhalten will, sollte seine eigenen Fähigkeiten nicht überschätzen. Es sollten lieber eigene, weniger gute Graffitis übersprüht werden als andere, die aufwändiger waren.
© IRON MONKEY
Ein Graffiti ist sehr zeitintensiv. Meist dauert es mehrere Stunden, bis hin zu einigen Tagen – je nach Größe und Komplexität. Im Sommer kann es gut und gerne vorkommen, 12 Stunden am Stück an der Wand zu verbringen. Im Winter nicht ganz so lange, es ist schließlich kalt. Selbst für ein kleines Graffiti ist ein Zeitaufwand von drei bis vier Stunden nicht unrealistisch. Aufgehört wird erst, wenn das Graffiti fertig ist, oder wenn es dunkel wird. Und dann? Wer garantiert, dass das Bild am nächsten Tag noch nicht übersprüht wurde?
„Fotos sind prinzipiell das Einzige, das bleibt.“ - dangercomfort
Weil es nur wenige legale Flächen gibt, stehen Graffitis meist nur kurz an der Wand, bevor sie wieder übermalt werden. Die einzige Möglichkeit, eine Erinnerung zu behalten ist es, ein Foto zu schießen. "Am Ende einer Session ist es für alle wichtig, ein gutes Foto davon zu bekommen, sonst steht man ohne alles da. Keiner weiß, wie lange das Graffiti stehen bleibt, bevor es übersprüht wird oder einem anderen Projekt Platz machen muss!", erklärt uns Riot184. Fotos sind also wichtige Erinnerungsstücke für Künstler und das einzige Greifbare, was von einem Graffiti übrig bleibt.
© IRON MONKEY
Prinzipiell kann die Graffiti-Kunst das ganze Jahr ausgeübt werden, da die Sprayer jedoch stark vom Wetter abhängig sind, werden sie, insbesondere im Winter, vor einige Herausforderungen gestellt. An zu nassen oder kalten Wänden gefrieren Farben häufig, halten dann nicht wie erhofft und auch das stundenlange Halten kalter Sprühdosen macht das Sprayen nicht gerade angenehmer. Zudem sind die Lichtverhältnisse, durch Nebel, Schneefall und den frühen Sonnenuntergang alles andere als optimal, um Projekte zügig und problemlos fertigzustellen. Aber auch im Sommer haben die Sprayer Herausforderungen zu meistern. So verblassen Pigmente beispielsweise gelegentlich durch zu viel Sonneneinstrahlung oder die Farbe verbrennt stellenweise. Besonders, wenn es um Auftragsarbeiten geht, kann diese Unplanbarkeit der Wetterverhältnisse zu Problemen führen. Auch die Corona-Pandemie hat die Szene vor neue Herausforderungen gestellt. Was bedeutet die Corona-Krise für die Sprayer?
"Wegen Corona hatte man ohne Konzerte, Partys oder Kinobesuche eigentlich mehr Zeit zum Malen... Für mich persönlich ist das Wetter einschneidender als Corona." - Iron Monkey
Durch die zahlreichen Corona-Einschränkungen haben viele Künstler sogar eher mehr Zeit, ihrem Hobby, das ohnehin an der frischen Luft ausgeübt wird, nachzugehen. Mit Abstand, Atemschutzmasken und unter Einhaltung der Hygieneregeln werden die Wände klar aufgeteilt, sodass weiterhin gemeinsam gesprüht werden kann. Im Sommer konnte es allerdings an besonders beliebten Graffiti-Wänden gelegentlich zu Platzproblemen kommen, da durch Corona sehr viele Menschen draußen unterwegs waren. Nur mit Glück konnte man an manchen Tagen freie Plätze ergattern und diese nur mit Mühe den ganzen Tag bewahren.
"Es war noch nie so viel los, wie in diesen Monaten! An den Hotspots war es definitiv zu voll, man konnte nicht mal mehr 5 Minuten aufs Klo, ohne dass einem die Dosen geklaut wurden." - dangercomfort
© MANUEL GERULLIS
Die Graffiti-Sprayer bleiben nicht nur unter sich. Über das Jahr verteilt finden immer wieder Events oder Wettbewerbe statt, bei denen sich die Mitglieder der Szene begegnen. In Wettbewerben, die häufig in Kombination mit Hip-Hop Veranstaltungen stattfinden, müssen beispielsweise verschiedenste Aufgaben zu vorgegebenen Style- und Schriftarten in begrenzter Zeit umgesetzt werden. Von einer Jury, zusammengesetzt aus bekannten Graffiti-Größen der Szene oder aus Siegern vergangener Wettbewerbe, werden die Sprayer dann bewertet. Aber auch bei verschiedenen Jams und Events lernt man sich untereinander kennen, knüpft neue Kontakte und sprüht zusammen. Das bekannteste dieser Events im Rhein-Main-Gebiet ist das sogenannte Meeting of Styles.
MEETING OF STYLES © MANUEL GERULLIS
Das "Meeting of Styles" ist ein internationales Event, das jährlich rund um den Brückenkopf in Mainz-Kastel stattfindet. Das Festival ist inzwischen international bekannt, so kommen Künstler aus aller Welt bei dieser Veranstaltung zusammen. Unter dem Namen "Wall Street Meeting", fand das erste Festival bereits 1997 am Kulturzentrum Schlachthof in Wiesbaden statt, organisiert von dem Künstler Manuel Gerullis aus Mainz-Kastel. Wenn du mehr über das Meeting of Styles erfahren möchtest, klicke hier.
"Das Meeting of Styles macht für mich die internationale, interkulturelle Zusammenarbeit aus. Aus dem Netzwerk haben sich Freundschaften und weltweite Kontakte entwickelt." - Manuel Gerullis, Organisator des Festivals
Auf den ersten Blick scheint die Szene sehr harmonisch zu sein, innerhalb der Crews herrscht Respekt und die Künstler unterstützen sich freundschaftlich. Aber gibt es dabei auch einen gewissen Konkurrenzkampf untereinander oder sogar richtige Feindschaften? Die Szene wird von Iron Monkey als eine sehr schöne Community beschrieben, in der man sich schnell connecten kann und sich auf freundschaftlicher, respektvoller Basis unterstützt. Einen richtigen Konkurrenzkampf erlebt er dabei nicht, wobei er sich vorstellen kann, dass gerade unter illegalen Künstlern ein solcher Kampf nicht unüblich ist. Etwas kritischer wird die Szene allerdings von Riot184 beschrieben. In Deutschland herrsche immer ein gewisser Wettstreit untereinander, der einen Konkurrenzdruck auslösen kann.
"Der ständige Wettbewerb ist in Deutschland extrem. Das ist zwar ein Anreiz, aber gleichzeitig auch eine große Limitation. Man muss sich immer beweisen und ständig etwas Neues, noch Verrückteres machen." - riot184
Dangercomfort stellt außerdem bei manchen Sprayern einen gewissen Egoismus fest. Fehlende Wertschätzung gegenüber Leuten, die einen auf dem Weg unterstützt haben und auch das Übermalen von Bildern sieht er kritisch. Von richtigen Feindschaften würde er hierbei aber nicht sprechen. Diese gebe es eher in der illegalen Szene, in der ein regelrechter Kampf um die besten Spots stattfinde und der Druck, sich beweisen zu müssen noch deutlicher ausgeprägt sei.
"Bei illegalen Crews gibt es fast schon Kämpfe um die prominentesten Flächen - das ist wie so ein kleiner Krieg." - dangercomfort
© IRON MONKEY
Iron Monkey ist mit der Szene zufrieden, wie sie ist. Was er allerdings kritisch sieht, ist der Wandel, der durch Social Media stattfindet. Er befürchtet, dass es in Zukunft immer mehr um die Selbstdarstellung auf Instagram und Co. und dabei immer weniger um die eigentliche Kunst gehen könnte. Obwohl er die Veränderungen der Intentionen der Sprayer wahrnimmt und kritisch beobachtet, sieht er diese aber auch nicht als grundlegend negativ an. Dangercomfort sieht keine Probleme in der Szene an sich, wenn überhaupt, hat er Probleme mit einzelnen Personen.
"Das Geschlecht oder die sexuelle Orientierung sollten einfach egal sein, wenn man malen will... In Deutschland liegt noch viel Arbeit vor uns." - riot184
Riot184 kritisiert die Tatsache, dass die Graffiti-Kunst hauptsächlich von Männern ausgeübt wird. Er ist der Meinung, Geschlecht oder sexuelle Orientierungen sollten keine Rolle spielen, wenn es um die kreative Ausübung dieser Kunstform geht. Er wünscht sich für Deutschland eine noch offenere Community, wie es sie in anderen Ländern bereits gibt. Zudem würden die Sprayer in Deutschland teilweise zu viel Wert auf Präzision legen und zu wenig auf die Freiheit, die Kunst und die freie Ausübung der Kreativität. Allerdings würden diese Strukturen langsam aufbrechen, dennoch wünscht er sich hier einen stärkeren Wandel.
© DANGERCOMFORT
Ob Graffitis Kunst sind oder Vandalismus - daran spalten sich die Geister. Sind illegale Graffitis immer zugleich eine Art des Vandalismus? Für Iron Monkey keineswegs, er betont, dass es auch sehr schöne illegale Werke gibt und es immer Ansichtssache sei, wann man von Vandalimus spricht. Werde hierbei allerdings Privateigentum beschmiert, sei dies nicht mehr als Kunst anzusehen.
"Vandalismus ist für mich sinnlose Zerstörung. Das hat nichts mit Graffiti zu tun, weil die eine Stadt mitgestalten." - riot184
Während Riot184 die Kunstform Graffiti ganz klar vom Vandalismus abgrenzt, kommt es für Dangercomfort in erster Linie darauf an, wo gesprüht wird. Werden historische Gebäude beschmiert und Dinge zerstört, die zuvor einen Wert hatten, so findet er das keineswegs vertretbar. Handelt es sich aber um die Lost Place Szene, die an abgelegenen Orten und verlassenen Häusern, Ruinen und Abrissgeländen sprühen, so würde er dies zwar als illegal ansehen, jedoch nicht als Vandalismus im eigentlichen Sinne, da es dort niemanden stört.
Während legale Künstler in der Gesellschaft mittlerweile immer mehr Akzeptanz erfahren, stellen illegale Graffitis eine Straftat dar, die straf- und zivilrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann. In der illegalen Szene ist es wichtig, überall bekannt zu sein, Tags zu verbreiten und zu rebellieren. Das beschädigt das Stadtbild und verursacht hohe Kosten für die Entfernung der illegalen Graffitis. Obwohl es in Deutschland einige legale Wände gibt, die die Städte für Graffiti-Künstler freigeben, stellt die illegale Szene die Städte weiterhin vor Probleme. Wie äußern sich die Städte also zu Graffitis, den Schäden und den daraus entstehenden Kosten?
"Graffitis sind in den Augen der Gesellschaft nicht mehr nur reine Verunstaltung. Vielmehr finden sie nun Anerkennung und Akzeptanz als spezifische Kunstform, die von einer bestimmten Szene praktiziert wird und nach wie vor ihren eigenen Regeln und Gesetzen folgt." - Stadt Frankfurt
Die Städte unterscheiden dabei klar zwischen legalen Werken, die mit einer künstlerischen Intention verknüpft sind und somit als Kunstform anerkannt werden und illegalen Werken, die aus schadhaften Intentionen entstehen. Diese werden als Vandalismus gewertet, entfernt und zur Anzeige gebracht. Graffitis, die einen künstlerischen Hintergrund aufweisen, erfahren allerdings großen Zuspruch. Die Stadt Frankfurt beschreibt einige Graffitis als „einfach überwältigend“, die den „Betrachter zum Stehenbleiben, Staunen oder Lachen“ einladen. Um das illegale Sprühen einzugrenzen, die legale Kunst jedoch zu fördern, haben die Städte Konzepte erarbeitet, um legale Flächen zu schaffen, an denen sich die Künstler vollkommen legal kreativ ausleben können."Graffitis werden als jugendkultureller Ausdruck gesehen. Wir sind davon überzeugt, dass legale Flächen richtig und sinnvoll sind, um dieser Kunst einen Raum und eine Möglichkeit zu geben." - Stadt Wiesbaden
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© Aussagen der Städte und www.legal-walls.net