Olympia im Portrait: Schneller, höher, stärker - gemeinsam

20. Juni 2021


Beitrag von


Tobias Bluhm


   
   

Mit wenigen Ausnahmen werden seit 1896 alle vier Jahre die Olympischen Spiele der Neuzeit ausgetragen. Die Sportwettkämpfe ziehen Millionen TV-Zuschauer:innen in aller Welt in ihren Bann, haben jedoch eine deutlich längere Geschichte, als vielen von ihnen bewusst ist. Für Campus Media blickt unser Autor in die Geschichtsbücher. Seine Zeitreise beginnt mehr als sieben Jahrhunderte vor Christus.

Schneller, höher, stärker. Diese Devise treibt Athletinnen und Athleten aus verschiedenen Ländern seit mehreren Jahrzehnten zu sportlichen Höchstleistungen bei den Olympischen Spielen an. Die "Olympiade" wurde in ihrer aktuellen Form erstmals im Jahr 1896 veranstaltet, hat bei einem genaueren Blick jedoch eine über 2000 Jahre lange Geschichte.

Nicht zuletzt, weil die Wettkämpfe ihren Namen dem Berg Olympus verdanken, auf dessen Gipfel sich die Residenz des Göttervaters Zeus befinden soll, führt beim Blick in die Annalen der Olympischen Spiele kein Weg an der griechischen Mythologie vorbei. "Im Herzen waren die Olympischen Spiele der Antike ein religiöses Fest, das in einer Kultstätte abgehalten wurde. E ging nicht nur um den Sport", erklärt der US-amerikanische Historiker Paul Christesen bei 'Olympics.com'.

Olympia als religöses Fest gegründet - auf einem Weizenfeld

Der Halbgott Herakles soll im zweiten Jahrhundert v. Chr. die ersten Olympischen Spiele veranstaltet haben. Mit den Wettkämpfen wollte er Zeus für seine Unterstützung bei der Eroberung von Elis auf der Halbinsel Peloponnes danken.

Auch in den folgenden Jahrhunderten gaben die Olympischen Spiele immer wieder Anlässe zu Friedenszeiten: Damit die Athlet:innen, Künstler:innen, ihre Familien und sonstige Reisende in Sicherheit anreisen konnten, wurde der Sage nach vor allen Olympischen Spielen das Ekecheiria-Abkommen geschlossen, eine Art Waffenstillstand zwischen den sich sonst meist bekriegenden Stadtstaaten Griechenlands.

Obwohl bereits in der Hochphase der Olympischen Spiele bis zu 40.000 Zuschauer:innen das Event verfolgten, fanden die Wettkämpfe stets in einem ländlichen Umfeld statt. "Das Stadion wurde mit Weizen bepflanzt", sagt Christesen, "den Großteil der Zeit war der Austragungsort einfach ein großes, leeres Weizenfeld. Erst in Vorbereitung auf die Spiele wurde die Spielstätte geräumt."

Wettlauf als erste Disziplin

Die ersten namentlichen Aufzeichnungen olympischer Sieger stammen aus dem Jahr 776 v. Chr., als der Koch Koroibos von Elis den Stadion-Wettlauf (192,24 Meter) gewann - die zunächst einzige Sportart, in der ein Wettkampf ausgetragen wurde.

Übrigens: Die Olympischen Spiele bildeten nur einen von vier Teilen der "Panhellenischen Spiele". Auch in Delphi, Nemea und Korinth fanden alle zwei bzw. vier Jahre Wettkämpfe zu Ehren griechischer Gottheiten statt

Später kamen weitere Sportwettkämpfe hinzu, darunter der Doppellauf (384 Meter), Langlauf (3,8 km), Waffenlauf (in Rüstung), Ringen, Faustkampf, Pankration (Kombination aus Faust- und Ringkampf) und der Fünfkampf (Diskuswerfen, Weitsprung, Speerwurf, Laufen, Ringkampf). Darüber hinaus gab es ab 680 v. Chr. auch Wettkämpfe in Pferdesportdisziplinen.

Als berühmtester Olympionike der Antike gilt Milon von Kroton, der bei insgesamt sechs Spielen den Ringkampf gewann.

Mainzer Geowissenschaftler erforschen Tsunami-Folgen in Olympia

Nach der Eroberung Griechenlands durch die Römer verloren die Olympischen Spiele der Antike zunehmend an Bedeutung. Der oströmische Kaiser Theodosius II. verbot die "heidnischen" Spiele im Jahr 426 n. Chr. endgültig. Wenige Jahrzehnte später wurde die Kultstätte in Olympia durch - wie eine Forschungsgruppe um den Mainzer Geomorphologen Andreas Vött herausfand - einen gewaltigen Tsunami zerstört.

Die olympische Idee ging nach der Zerstörung der ursprünglichen Wettkampfstätte für lange Zeit verloren, bis im Jahr 1766 die Sport- und Tempelanlagen von Olympia wiederentdeckt wurden. Unter der Leitung des deutschen Archäologen Ernst Curtius begannen Ausgrabungsarbeiten. Gemeinsam mit den alten Tempeln und Sportanlagen geriet schließlich auch der olympische Gedanke wieder ans Licht der Öffentlichkeit

Im 18. und 19. Jahrhundert wuchs in Europa das Interesse an einer Wiederbelebung der Olympischen Spielen. Als besonders leidenschaftlicher Verfechter galt seinerzeit der Franzose Pierre Baron de Coubertin. In einer historischen Ansprache forderte er 1894 in der Pariser Sorbonne-Universität, die Spiele als friedlichen Wettkampf des friedlichen Zusammenlebens der Völker wiederzubeleben.

Lassen Sie uns Ruderer, Läufer, Fechter ins Ausland senden; das ist das Freihandelssystem der Zukunft. Deutschland hat das ausgegraben, was vom alten Olympia übrig geblieben war, warum sollte Frankreich nicht die alte Herrlichkeit wiederherstellen? Die Charakterformung geschieht nicht durch den Geist: Sie geschieht vor allen Dingen mit Hilfe des Körpers. Genau das wussten die Alten, während wir es wieder von ihnen lernen.

Pierre Baron de Coubertin (1984)

Neue Spiele, neue Disziplinen

Zwei Jahre später finden die ersten Olympischen Sommerspiele der Neuzeit in Athen statt. Ab sofort wurden alle vier Jahre Wettkämpfe ausgetragen. Sie wanderten nach Paris (Frankreich), St. Louis (USA), London (Vereinigtes Königreich) und Stockholm (Schweden), ehe die 1916 in Berlin geplanten Spiele aufgrund des Ersten Weltkrieges abgesagt wurden.

Inzwischen ziehen die Olympischen Spiele jährlich mehrere Millionen Sportfans in ihren Bann. 1924 fanden die ersten Olympischen Winterspiele statt, kombiniert mit den Sommerspielen können Athleth:innen somit inzwischen in 56 Disziplinen antreten. 2021 in Tokio zählten das Klettern, das Skateboard und das Surfen erstmals zum sportlichen Portfolio Olympias, 2024 kommt in Paris der Breakdance hinzu.

Der Ursprung der Wettkämpfe ist vielen zwar nicht mehr bewusst. Die zentrale olympische Idee besteht jedoch noch immer. 2021 wurde das weltbekannte Motto um ein weiteres Attribut erweitert.

Nun treten die Athlet:innen unter dem Leitbild an: Schneller, höher, stärker - gemeinsam.

Titelfoto: Mit freundlicher Genehmigung von IOC Media (Flickr)