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Start Auslöser #IchBinHanna WissZeitVG Auswirkungen In Zukunft? In Europa

Wissenschaft ohne Perspektive?

Über die prekären Arbeitsumstände von junger Wissenschaftler*innen an deutschen Universitäten

"Ich entscheide mich dafür, eben nicht planen zu können. Ich entscheide mich dafür, jetzt eben nicht zu sagen, ok an diesem Ort kann und werde ich bleiben,sondern eher dafür, zu sagen „ok dann muss ich auch die Flexibilität mitbringen, die dieser Job nun mal leider erfordert". Planen ist eben nicht."

Johanna, Sozialwissenschaftlerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an einer deutschen Universität

Ein unbefristetes Arbeitsverhältnis an der Universität hatte Johanna bisher noch nie.
Damit ist sie eine von über 160.000 wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen in Deutschland. 2021 beklagten viele von Ihnen die Arbeitsverhältnisse an der Uni in den Sozialen Medien unter dem #IchbinHanna. Eine bundesweite Debatte über die Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft wurde ausgelöst, inzwischen plant die Regierung Reformen.



Doch was genau steckt eigentlich hinter #IchbinHanna?

Die Debatte begann mit der Reaktion auf dieses Video, veröffentlicht vom Bundesministerium Bildung und Forschung:

Das Video löst besonders auf Twitter eine riesige Debatte aus, an der im Verlauf über 150.000 Tweets zu diesem Thema abgesetzt werden, meist von Wissenschaftler:innen, die selbst betroffen sind und die negativen Konsequenzen des WissZeitVG schildern.
Um einen Eindruck zu gewinnen, kann man hier einige dieser Tweets lesen :

#IchBinHanna

wird daraufhin auf Twitter ins Leben gerufen.


#IchBinHanna - eine Bewegung

Initiator*innen von #IchBinHanna waren Sebastian Kubon, Kristin Eichhorn und Amrei Bahr. Bereits 2020 hatten sie unter dem #95ThesenvsWissZeitVG Kritik am Gesetz und dem bestehenden Wissenschaftssystem online und später auch in Form eines Buches geäußert.
Die folgende Debatte war für die Initiator*innen der Anstoß, die Grassroot-Bewegung #IchBinHanna zu gründen.

Was genau ist das WissZeitVG?

Entwicklung des Wissenschaftzeitvertragsgesetz
  1. 2007: Das WissZeitVG wird verabschiedet.

    Es gilt als Nachfolger der Befristungsrichtlinie 1999/70/EG vom 28. Juni 1999 für den Wissenschaftsbereich.

  2. 2015/16: Erste Novellierung des WissZeitVG

    Aus der ersten Novellierung ergibt sich keine ausreichende Verbesserung aus Sicht betroffener Arbeitnehmer.

  3. 2021: BMBF veröffentlicht das Video/Reaktion #IchBinHanna

    Als Reaktion auf das veröffentlichte Erklärungsvideo zum WissZeitVG wird in der #IchBinHanna-Debatte eine Gesetzereform zur Arbeit in der Wissenschaft gefordert.

  4. 2023: Vorstellung Gesetzesevaluation/2. #IchBinHanna-Welle

    Obwohl eine Evaluation zwecks Verbesserung für das Jahr 2020 angesetzt worden war, wird diese erst 2023 vorgestellt. Erste Reformvorschläge werden lösen eine zweite #IchBinHanna-Welle aus

Welche Auswirkungen hat das WissZeitVG auf wissenschaftliche MitarbeiterInnen?


Interviewreihe über das WissZeitVG, die Reform und das Wissenschaftssystem in Deutschland


Für die erste Folge unserer Interviewreihe haben wir mit Universitätspräsident der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Prof. Georg Krausch über die #IchBinHanna-Debatte und die Baustellen des deutschen Wissenschaftssystems gesprchen.


Das Interview mit Prof. Krausch als Textversion gibt es hier.



In der zweiten Folge durften wir Sozialwissenschaftlerin Johanna , wir kennen sie vom Anfang dieser Seite, über das WissZeitVG und die Arbeitsklima in der Wissenschaft befragen.


Das Interview mit Johanna als Textversion gibt es hier.


In Folge Drei sprechen wir mit Politikwissenschaftler Nils Stockmann als Vertreter des Q-Ausschusses der Deutschen Vereinigung für Politikwissenschaft über die Aufgaben von Institutionen mit Blick auf das WissZeitVG und seine Folgen.


Das Interview mit Nils Stockmann als Textversion gibt es hier.

Für die vierte und letzte Folge unserer Interviewreihe durften wir mit Andrea M. über die Verknüpfbarkeit von Wissenschaft und Familie


Das Interview mit Andrea M. als Textversion gibt es hier.

Disclaimer: Natürlich hätte uns auch die Perspektive einer Person in der PostDoc-Phase brennend interessiert, leider konnten wir trotz langer, intensiver Suche niemanden für ein Interview finden.

Wie geht es mit den WissZeitVG weiter?

Nach der Bundestagswahl 2021 wurde im Koalitionsvertrag der SPD, Grünen und FDP eine Novellierung des WissZeitVG festgesetzt. (Link)

Dass diese Reform zu systematischen Verbesserungen führen wird, wird oftmals bezweifelt.

Nach einigen Vorschlägen wurde im Juni 2023 ein vom Arbeitsausschuss ein Referentenentwurf vorgestellt, in dem unter anderem vorgeschlagen wird, die 6 Jahre Höchstbefristungsdauer in der PostDoc Phase in 4 Jahre plus 2 Jahre mit Anschlusszusage umgestellt werden soll. Zudem sollen Mindestvertragslaufzeiten von 3 Jahren eingeführt werden.

Allgemein wurde der Entwurf von #IchBinHanna sehr negativ aufgenommen. Der Bund leitete anschließend die Verbände- und Länderbeteiligung ein.
Inwieweit die Reform zu einer Besserung der Arbeitsbesdingungen führt, bleibt offen. (Stand: Juli 2023)

Wie sieht es in anderen europäischen Ländern aus?


Diese interaktive Karte zeigt, welche
Beschäftigungsverhältnisse wissenschaftlicher Mitarbeiter*innen
in anderen Ländern in Europa üblich sind.


Glossar

WissZeitVG: Abkürzung für Wissenschaftszeitvertragsgesetz
Promotion: Akademischer Grad, Synonym für Doktortitel
Habilitation: Akademischer Grad, Synonym für Professur
Drittmittelprojekt: Froschungsprojekt, das über Drittmittel, bspw. aus der Privatwirtschaft oder durch Stiftungen finanziert wird
6+6: Standard-Qualifizierungsphase in der Wissenschaft in Deutschland, 6 Jahre vor und 6 Jahre nach der Promotion
PostDoc:Qualifizierungsphase nach der Promotion
Junior-Professur: Verbeamtete Lehrstelle während der PostDoc-Phase, die auf Zeit vergeben wird
Tenure Track-Stelle: Junior-Professur, die nach positiver Evaluation in eine "ordentliche" Professur berufen wird
W2/W3-Professur: Professur auf Lebenszeit
Flaschenhals: Modell. Veranschaulicht, dass es sehr viele wissenschaftliche Mitarbeiter*innen gibt, für die es am Ende ihrer Qualifizierungsphase nur sehr wenige Stellen in der Wissenschaft gibt, weshalb viele aussteigen müssen
Akademischer Mittelbau: Die Mitarbeiter*innen, die keine Professor*innen, Studierende, Mitarbeiter*innen in der Technik oder Verwaltung sind.