Drage – eine idyllische und friedliche niedersächsische Kleinstadt im Norden Deutschlands. Der Ort könnte kaum gegensätzlicher sein zu den Geschehnissen, die sich dort im Sommer 2015 zugetragen haben. Über Nacht verschwindet Familie Schulze spurlos und stellt damit das Leben für alle in der Gemeinde auf den Kopf. Nichts davon ist erfunden, denn die Ereignisse haben sich tatsächlich so zugetragen. Der Podcast „Drage“ geht den Geschehnissen auf den Grund und versucht, die Tragödie nachzuerzählen. Doch nicht nur das: Was die sechs Episoden ausmacht, ist die Frage danach, was zurückbleibt, wenn aus dem Nichts ein Kriminalfall wie dieser ein Loch in die kleinstädtische Gemeinschaft reißt. Der Podcast entstand zu einer Zeit, als das beliebte True Crime-Genre auch im Audiobereich angekommen war und sich in der deutschen Podcast-Szene etablierte. Aber ist er wirklich Teil davon und reiht er sich in ein Genre ein, das sich mitunter am Leid anderer ergötzt und es zum eigenen Geschäft macht? Das grausame Schicksal von Familie Schulze wird in den Episoden zum Spektakel erhoben – das lässt sich kaum leugnen. Aber genauso erinnert der Podcast an die Tragik dieser realen Situation, die „Drage“ ergründen will. Die Welt dreht sich weiter, auch wenn schreckliche Dinge passieren. Trotz dessen gibt es irgendwie selbst nach solchen Erlebnissen einen Alltag. Möglichst respektvoll und distanziert, aber gleichzeitig mitreißend dargestellt und immersiv, geht die Erzählerin Johanna Steiner der Geschichte rund um Mutter, Vater und Kind aus Drage nach und macht klar: Was sich hier zugetragen hat, ist nicht bloß Thema eines True Crime-Podcasts – es ist ein Drama und ein Riss im Alltag einer ganzen Stadt.
„Und jetzt verehrte Hörerinnen und Hörer“ schallt es in herrlich altmodischer Manier aus den modernen Podcatchern und Streamingdiensten. Ein Tusch. Polizeisirenen. Dann ein Zusammenschnitt alter Kriminalhörspiele. So theatral und pathetisch, dass man beinahe Angst bekommen könnte. Wäre da nicht kurz darauf die vertraute Stimme Bastian Pastewkas, die besagte Hörerschaft zurück ins Hier und Jetzt katapultiert. Nur um kurze Zeit später wieder eine Zeitreise anzustoßen und gemeinsam längst vergessenen, verstaubten und schon vor vielen Jahren archivierten Hörspielen zu lauschen. „Kein Mucks“ heißt der Podcast, in dem seit nunmehr fast vier Jahren die alten akustischen „Liebhaberstücke“ vorgestellt und den Hörer* innen der entsprechende Kontext geliefert wird. Jede Folge öffnet dabei ein kleines Fenster in die Welt der Kriminalität oder entriegelt eine Tür, durch deren schmalen Spalt die Mordsgeschichten oder Schauermärchen durchschimmern. Stets im althergebrachten Duktus der Radiohörspiele der 1950er und 1960er-Jahre. Knistern und Rauschen inklusive. Die Krimis sind Originalhörfassungen aus der Zeit, die Pastewka begeistert, liebevoll und mit hörbarer Freude an- und abmoderiert. Charmant manövriert er die Menschen vor den Weltempfängern durch die Produktionen und sorgt dafür, dass man Lust bekommt, sich wie damals gemeinsam in der Küche vor dem Radio zu versammeln, um mitzurätseln, zu knobeln und den alten Magnetbändern nochmal zu lauschen. Aber bitteschön: Kein Mucks!
Riesenspinnen attackieren Westland: Schon in der ersten Folge der „Jan Tenner“-Hörspielreihe ist das Leben aller Bewohner*innen des fiktiven Erdenstaates bedroht. Zum Glück gibt es Professor Futura (Klaus Nägelen), einen erfolgreichen Wissenschaftler, und seinen sportlichen Assistenten Jan Tenner (Lutz Riedel). Professor Futura hat ein Serum entwickelt mit dessen Hilfe Jan selbst zu einer gewaltigen Spinne mutiert. Derart verwandelt, schafft es der Student die achtbeinigen Angreifer zurückzuschlagen und Westland zu retten. Viel mehr als diese grobkörnigen Grundzüge einer Narration erzählt die Debütfolge von „Jan Tenner“ nicht. Details werden zugunsten einer faszinierenden Leblosigkeit der Erzählung weggelassen. Gründe, warum etwas passiert, narrative oder künstlerische Rechtfertigung braucht die zwischen 1980 und 1989 erschienene Hörspielreihe, heutzutage oft als Trash heruntergeredet, nicht. Denn die wahre Genialität liegt in ihrem traumwandlerischen, repetitiven Aufbau. Die erste Folge präsentiert sich als schablonenartiges Grundgerüst für alle darauffolgenden 44 Episoden. Sie werden sich alle nach der bewährten Formel richten: Die außerirdischen Gigant*innen, Riesenadler oder Android*innen kommen allesamt in feindlicher Absicht nach Westland. Ebenso wie Weltraumpflanzen und andere Kreaturen. Sie alle bedrohen Jan Tenners Heimat und jedes Mal nimmt er ein Serum seines Professors ein, um sie zu besiegen. Handlung und Charaktere bleiben dabei artifiziell und wirken automatisiert. Sie werden von einer ihnen unbekannten Macht gesteuert und können deswegen gar nicht anders als der etablierten Formel des Narrativs zu folgen. Es gibt kein Entkommen. Egal wie oft die Charaktere – und auch die Geschichte selbst – versuchen auszubrechen, sie werden immer wieder dem bewährten Bauplan untergeordnet. Selbst ein Autorenwechsel nach der sechsten Folge brachte keine Veränderung. Die Formel der Serie scheint sich also von Anfang an verselbstständigt zu haben und nimmt wie eine Maschine einzelne Ideen auf, um sie in sich einzugliedern. Diese Wiederholungen und Seltsamkeiten sorgen für eine hypnotische Leere, die durchaus einlädt, sich dort, in der erzählerischen und auch auditiven Reduktion des Gehörten, zu verlieren. Die Klanglandschaft ist verlassen von jeglicher Feinheit, jeglichem Detail. Zu hören sind unscharfe skizzenhafte Formen, die sich kaum in die eigene Fantasie transformieren lassen. In der zweiten Folge zieht dann ein tödlicher Nebel über Westland hinweg. Und so ganz sind diese Nebelschwaden aus der Serie nie mehr weggezogen. Das Hörspiel verursacht Dissoziationen, es verwirrt die Gedanken. Mit seiner Machart lässt es die Hörenden wegtreiben in eine imaginäre Welt und schenkt ihnen dabei eine regelrecht psychotronische Hörerfahrung – sie bleiben im wahrsten Sinne vernebelt zurück.
Ich höre euch schon aufschreien: „Die drei Fragezeichen? Neben all diesen Geheimtipps gibt es eine Kritik zu den drei Fragezeichen?“ Doch bevor ihr genervt das Heft zuschlagt und einen empörten Beschwerdebrief verfasst, lasst mich euch von den „Stimmen aus dem Nichts“ erzählen. Wenn ihr euch auf das Abenteuer einlasst, werdet ihr belohnt mit einer ungewohnt düsteren, rauen, nahezu dreckigen Atmosphäre, die euch von Sekunde eins in den Bann zieht. Mit einer musikalischen Untermalung, die euch abseits der bekannten Klänge der Hörspielserie mit treibenden Beats und schaurig-schönen Geigen in die Geschichte einsaugt. Mit einer bedrückenden Geräuschkulisse, die euch in die triste und verregnete Küstengegend rund um Rocky Beach eintauchen lässt. Wenn ihr euch auf das Abenteuer einlasst, dürft ihr euch verlieren im Seelenleben eines unserer Helden, welches innerhalb der Reihe selten so tief und emotional ergründet wird wie hier. In den Stimmen der Sprecher*innen, die für ihre Rollen alles geben, ihren Charakteren und der Geschichte echtes Leben einhauchen. In genau dieser Geschichte, die euch an eure Kassettenrekorder fesselt, ein entsetzliches, wahrlich diabolisches Verbrechen offenbart und euch in einem grandiosen Herzschlagfinale mit zerkauten Fingernägeln zurücklässt. Wenn ihr euch auf das Abenteuer einlasst, werdet ihr Ohrenzeugen der besten Einzelfolge der drei ???-Geschichte!