Text von
Luca Simonis
Der Start der Reise von Bube & Luca
Meine Suche nach dem Sound der Stadt startet auf der falschen Seite der Höfe am Brühl. Schade eigentlich, denn die Aufschrift „Willkommen in Leipzig“ auf der Rückseite des Gebäudes hätte sich sicher gut als Opener für diesen Text geeignet. Der eigentliche Treffpunkt liegt auf dem Platz hinter dem Gebäude. Dort treffe ich Tjark und Johannes, ihres Zeichens Bassist und Schlagzeuger der Band Bube. Der Sound von Bube liegt musikalisch zwischen Indie und Disco, sprachlich zwischen Deutsch und Englisch und textlich irgendwo zwischen Life-Life-Balance und Flucht ins Blaue. Tjark und Johannes sind passend dazu zwei entspannte Typen mit schulterlangen Haaren, Tjark im bunten Hipster-Hemd und Latzhose, Johannes mit rot-grün-weiß lackierten Fingernägeln. Zur Begrüßung umarmen sie sich innig. Die Beiden führen mich an diesem Abend durch die Stadt, um mir ihre musikalische Geschichte zu erzählen.
CD und Pizza | @LucaSimonis
Vor der „Geburtsstätte” - dem Telegraph
Erster Stopp: Der Telegraph, ein Musikclub der Universität Leipzig, in dem sich früher die Studierenden getummelt haben. Heute sitzen wir gegenüber der unscheinbaren Eingangstür auf einer Fensterbank, der Club hat mittlerweile geschlossen. Auch Teile der Bube-Boys haben sich im Studium kennengelernt, ihre Reise hat hier mit Jam-Sessions und ersten Konzerten auf Studi-Partys begonnen. „Bei der ersten Tour musste ich mir noch einen Bass von der Musikhochschule leihen“, sagt Tjark belustigt. Doch ohne Club auch keine Musik: Für den Sound of Leipzig müssen wir weiterziehen.
Die Bube-Boys
Wieso führt man ein Interview mit nur 50 Prozent einer Band? Im Fall des gemeinsamen Abends mit Bube ist der Grund simpel: Die andere Hälfte der Band wohnt nicht in Leipzig. Bald sind es drei Viertel. Sänger Julian (bandintern „Jay-Q“) Rathke lebt in Berlin, sein Bruder und Gitarrist Mathis („Mat Q“) in einer Kleinstadt auf Mallorca, Bassist Tjark („TJ“) Schönball wird bald zu Julian in die WG ziehen. „Das neue Bube-Headquarter aufbauen", sagt er grinsend. Mittlerweile lebt nur noch Johannes („Joe“) Niklas in der Gründungsstadt in Sachsen. Dass die Jungs trotz der Distanz als Band funktionieren, ist ihrer Freundschaft zu verdanken, das merkt man ihnen an, wenn sie übereinander reden. „Julian und Mathis sind Brüder, Mathis und ich beste Kumpels, die schon übel viel Mucke zusammen gemacht haben, Tjark hat jetzt auch eine zweite Band mit Julian … Das hilft!“, sagt Johannes. Wenn sie Musik machen, treffen sie sich oft mehrere Wochen am Stück.
Handy | @LucaSimonis
Pizza & Punks in der Kolonnadenstraße
Die Punks in Leipzig hören Udo Jürgens und Stumblin‘ In. Während Tjark bei der Pizzeria Paradiso in der Kolonnadenstraße eine fettige Margherita aus dem Pappkarton genießt, Fotografin Lea ihre Pommes mit der Gruppe teilt und alle jeweils ein Sterni in der Hand haben, schmettern die gut gelaunten und besser angetrunkenen Männer im Hintergrund Liebe Ohne Leiden (zurecht, ist nämlich ein super Song). Im Vordergrund erzähle ich Johannes gerade, wie ich die Band kennengelernt habe. In der Hauptrolle: ein gemeinsamer Kumpel von uns beiden, der den Bube-Song Reckless Girl vor ein paar Wochen an einem schönen Mainzer Sommerabend am Rhein gespielt hat. In der Nebenrolle: ich, wie ich den Song shazame. „Sieht man da auch, wie viele Leute den insgesamt gesucht haben?“, fragt Johannes. „796“, antworte ich. „Geil!“, ruft Johannes, schlägt Tjark spielerisch auf die Schulter, während sich auf seinem Gesicht das für ihn typische Grinsen breitmacht. Erste Erfolge für eine kleine Band, die noch größer werden will.
In den Spätis
Der Sound der Spätis in Leipzig ist gleichbleibend vielfältig, jeder Kiosk eine Welt für sich. Im „Bis SPeter“ in der Kolonnadenstraße läuft leise Hardrock, im Musikerviertel dominieren alte Drake-Trap-Songs, im „Südplatzspäti“ ballert moderner Reggae aus den Boxen. Was gleich bleibt: drei Sternis für drei junge Männer. Kein lauer Sommerabend in Leipzig ohne das Kultbier, auch wenn Tjark zu meinem Entsetzen zu einem Craft-IPA greift. Geöffnet werden die Flaschen mit Tjarks bassförmigen Öffner am Schlüsselbund. Was ich den ganzen Abend nicht bekomme, ist „Uri“, das zweite Kultbier des Ostens – niemand hat es so schwer wie ich.
Sitzend | @LucaSimonis
Songs auf der Sachsenbrücke
„Jetzt schreibt er wahrscheinlich: Auf der Sachsenbrücke stimmen Leute ihre Gitarren“, sagt Johannes und schaut mich an. Ich schaue auf meinen Block, auf dem steht: „Rechts von uns stimmen zwei Männer ihre Gitarren.“ Alle lachen. Vielleicht ist mein Job doch einfacher als gedacht. Aber es stimmt: Die Sachsenbrücke ist eine nur für zu Fuß Gehende und Fahrrad Fahrende zugängliche Brücke, auf denen mehrere Grüppchen sich murmelnd unterhalten, während zwei mittelalte Herren den Song Still von Jupiter Jones für die Menschen drumherum zum Besten geben. Schön hier. Wir sitzen am Rand der mit bunter Kreide bemalten Brücke auf dem Boden, während langsam die Sonne untergeht, und reden über die neue Musik der Band. Die ersten Songs sind bereits aufgenommen, Musikvideos dazu gedreht. Zu viel verraten darf ich noch nicht. Großes Ziel ist das offizielle Debütalbum, für das sich die Band demnächst bei Mama und Papa Rathke zu Hause in Osnabrück zum Songwriting trifft. Eine Kommilitonin, die mit Tjark zusammen ein Musical geschrieben hat, fährt mit dem Fahrrad vorbei, man unterhält sich. Leipzigs musikalische Bubble scheint eng zu sein – wir treffen an diesem Abend noch zwei weitere Freund:innen von der Uni und Johannes‘ Jazzpiano-Lehrer.
Oh no: Schüler:innen im Clara-Zetkin-Park
Keine Heldenreise ohne Kampf gegen das Böse, und auf dem Weg durch den Park treffen wir auf den wahrscheinlich bedrohlichsten Gegner für Mitte-20-Jährige: Eine Gruppe Teenager. Die schlimmste Art sogar: coole Teenager. Sie hören Songs aus dem neuen Strokes-Album und Love My Way von den Psychedelic Furs auf ihrer Bluetooth-Box. Mist, das ist wirklich cool. Wir kommen ins Gespräch. Johannes und Tjark sind in einer Band? Mega spannend! Es entsteht diese Art jugendlicher Hype, für den ich die etwas Jüngeren beneide. Tjark und Johannes stehen leicht belustigt, aber auch glücklich, Rede und Antwort. Wie ist es, in einer Band zu sein? Werdet ihr mal richtig groß? Habt ihr Sticker von euch dabei? Könnt ihr demnächst bei uns in der Schule auftreten? Auf Instagram wird gefolgt, auf Spotify Klickzahlen ausgewertet. Als wir uns loseisen können, läuft Bube über die Bluetooth-Box. Manchmal sind sie dann doch nicht so furchtbar, diese Teenager.
Schluss im Skala
Mittlerweile ist es kurz vor Mitternacht, und unsere müden Protagonisten kehren nach einem anstrengenden Abend voller Gespräche über Musik an ihrer letzten Station ein: dem „Skala“, einer vor allem bei Theaterleuten beliebten Bar im Bachviertel. Drinnen läuft sachte House-Musik. Haben wir den Sound of Leipzig gefunden, wie wir es geplant hatten? Wahrscheinlich nicht. Aber wir haben uns angenähert. Lässt man das Gehörte Revue passieren, liegt der Sound irgendwo zwischen Indie, Rock, Rap und elektronischer Musik. Vielleicht macht gerade das den Charme der Stadt aus: Jede:r hört Musik, und jede:r liebt etwas anderes. Das Highlight zum Schluss: Im Skala gibt es sogar frisch gezapftes Uri. Die Hälfte von Bube und Luca stoßen an und verabschieden sich. Gute Nacht!