×

Kreativität

Zehntausend Aromen

In der Bornaischen Straße liegt der vegane Höhepunkt der Leipziger Küche. Saisonal, kreativ, kontrastreich: Das Zest ist geschmacklich dem Himmel nah


N udeln oder doch Salat? Wer vegan essen will, dem genügt oft ein kurzer Blick auf die Speisekarte. Wenn man in der Leipziger Innenstadt dann gezwungenermaßen Pasta all’arrabbiata bestellt, gibt es schon mal kommentarlos Spaghetti mit einer undefinierbaren Stückmasse aus Tomaten und Speck (!) serviert. Für so ein kulinarisches Verbrechen würde man in Rom im Gefängnis landen und vielleicht sogar zurecht.

Dabei gäbe es genug Auswahl. Zehntausend Aromen stecken in den Pflanzen, Pilzen und Kräutern der veganen Küche. Wo haben sich alle davon in Leipzig versteckt?

Bornaische Straße 54: Ein kulinarischer Schatz liegt mitten in Connewitz | Foto: Zest

Die Bornaische Straße in Connewitz ist ein guter Ort, um mit der Suche anzufangen. In reduziertem Holzdesign mit samtroten Akzenten kommt das “Restaurant Zest” angenehm unaufgeregt daher. Der kleine Innenraum wird durch Tische auf dem Gehweg ergänzt. Eine Reservierung ist unbedingt zu empfehlen.

Die Speisekarte wechselt alle acht Wochen. Was bleibt, ist der Wille, stets saisonal und originell vegan zu kochen.  Ab fünfzehn Euro gibt es einzelne Gänge à la carte, die Menüs starten bei vierzig Euro. Es braucht ein bisschen Mut, denn die Karte ist nicht so leicht zu entschlüsseln. Oder hätten Sie gewusst, was sich hinter Tian de Légumes auf Camargue-Reis mit Löwenzahn-Pistou verbirgt?

Los geht es mit einem Gruß aus der Küche. Der Service erklärt den kleinen Teller liebevoll detailliert, in vollstem Wissen, dass sich der Gast das nicht alles merken kann. Wenn man jetzt keine Ahnung von Essen hätte, würde man sagen, es ist irgendwas mit Gurke und Pesto. Die erste Gabel. Und da sind sie auf einmal: Zehntausend Aromen. Oh, là, là! Die ersten Superlative des Abends fallen am Tisch des Autors. 

Rhabarber-Lauch-Zopf / Jasmintee-Panna-cotta / Orangenblütentofu / Weißer Spargel / Lauchwurzel / Tomatensud

Das Entrée folgt. Im Zest überraschen gerade die vermeintlich vertrauten Zutaten. Sie denken, Sie kennen Spargel? In dieser Intensität schmeckt er hier geradezu kräutrig-würzig, wie ein besonders feines Stück Steak. Der Tofu glänzt mit floralen Aromen. Wer weiterhin behauptet, Tofu schmeckt nach nichts, kann einfach nicht kochen. 

Kartoffel-Salbei-Pakora / Kaffir-Schmorgurke / Avocado-Endivien-Mojo / Chalkidiki-Oliven-Espuma / Erbsenchips

Es geht Schlag auf Schlag; die Euphorie am Tisch steigt. Das Pakora? Umwerfend. Die Schmorgurke? Grandios. Die Espuma flufft wie eine sanfte Cumuloswolke an einem kühlen Sommermorgen. Die Gerichte sind malerisch angerichtet. Wer sich als Kritiker halbwegs ernst nimmt, macht keine Fotos vom Essen, doch im Zest muss man sich zusammenreißen, um nicht die Kamera zu zücken.  

Schokoladen-Brownie / Tonkabohnen-Eiskrem / Haselnuss-Whip / Sauerkirsch-Coulis

An diesem Punkt stellen sich grundsätzliche Fragen. Wären nicht alle kulinarischen Freuden auch vegan zu schmecken? Das Dessert lässt einen glauben, dass es Milch für nichts auf der Welt braucht. Ein gelungener Abschluss eines charmant choreografierten Abends.

Das Menü im Zest steckt voller Finesse und intelligenter Kontraste. Damit gelingt dem Restaurant der Spagat zwischen gehobener Küche in legerer Stimmung. Der Service ist ausgesprochen aufmerksam und nimmt Gäste mit auf einen Ausflug in die Welt des Gourmet.

Zu einem Experiment gehört Vertrauen. Das verdient sich die Küche des Zest mit jedem Gang. Essen gehen kann auch bedeuten, Neues zu Entdecken. Man muss kritisch hinterfragen, sich zwei Mal im Monat dieselbe 14-Euro-Pizza beim Eckitaliener reinzuballern, wenn man doch lieber auf ein Menü im Zest sparen könnte. Unser Autor hat eine Antwort für sich gefunden. 

Restaurant Zest

Bornaische Straße 54
04277 Leipzig

Mi - Mo ab 17:00
+49 (0) 341 23 19 126