Text von
Emil Eßling
I m Restaurant ‚Am Tiirmschen‘ (dt. Am Türmchen) sitzt man in einem mittelalterlichen Gebäude, die Außenfassade – Sandstein, 1,20 Meter dick – ist genauso auch aus dem Restaurantinneren zu bestaunen. Ansonsten mächtiges Gebälk, zu wenig Licht und belanglose Jazz-Musik, die es mit ihrer Anspruchslosigkeit doch schafft, zu provozieren. Und dann 250 Milliliter Bohnensuppe.
Aber von vorn: Eine kurze Internet-Recherche läuft auf drei Restaurants im Innenstadtbereich von Luxemburg-Stadt hinaus, die traditionelle Küche offerieren. Das erste befindet sich in Sanierung, auf Nachfrage meinen die Eigentümer:
„Oh..., traditionelle Küche finden, das wird schwierig in Luxemburg Stadt.“
Klar, warum auch. Das zweite Lokal existiert nicht (mehr?). Das dritte ist dann die vermeintliche Rettung. „Am Tiirmschen“ gibt es laut Karte Kniddelen – eine Art Gnocchi, Judd mat Gardebounen – geräucherter Schweinenacken mit Saubohnen, luxemburgisches Sauerkraut und das anvisierte Ziel: Bouneschlupp – eine traditionelle Gemüsesuppe mit grünen Bohnen und Wursteinlage.
Also hinein ins Türmchen und einen Tisch reservieren, nichts leichter als das. Von wegen. Die Wirtin ist von der Idee, eine Suppe zu Rezensionszwecken zu verkosten, alles andere als begeistert.
„Das ist ein Restaurante und kein Café“
ist ihre Erklärung dafür, dass nur eine Suppe zu essen auf gar keinen Fall erlaubt sei. Man müsse schon ein komplettes Menü bestellen. Für den fleischlosen oder auch zumindest nicht grenzenlos karnivoren Genießer also eine Herausforderung. Vier Würste mit Kartoffeln, Schweinshaxe mit Bratkartoffeln, Schweinenacken mit Schinkenklößchen. Bei dieser Auswahl ist die Bohnensuppe mit Einlage neben ‚Tarte aux quetsches‘ (dt. Zwetschgenkuchen) das am wenigsten tierlastige Gericht auf der Karte. Nach Diskutieren, Bitten und Erklären ist man schließlich doch zur Bewirtung bereit; zum Mittagstisch und nicht länger als eine halbe Stunde. Das Geschäftskonzept kommt nicht unbedingt intuitiv daher. Geld zu verdienen, hat anscheinend nicht die höchste Priorität. Mittlerweile ist das Interesse an der Flüssigspeise aber so groß, dass der Autor bereit ist, jede Unwegsamkeit hinzunehmen. Wäre Geld keine relevante Komponente in dieser Geschichte, hätte er auch die Diskussion abkürzen und das Schweinemassaker ordern können. Dann ausschließlich die Bouneschlupp zu kosten, käme allerdings neben finanziellem auch dem ethischen Ruin gleich.
Vom Tiirmschen muss man wissen, sonst findet man es in von Gewölben in alten Häusern nicht. Foto: Emanuel Eßling
Die Bouneschlupp kostet zwölf Euro, eine Vorspeise zu der vier halbe Scheiben Graubrot gereicht werden – auf Nachfrage. Hauptgerichte starten bei 25 Euro. Bei diesem Preisen können es sich die Betreiber vom ‚Tiirmschen‘ wirklich beinahe leisten, ihre Kundschaft selbst zusammenzustellen.
The Taste
Nun endlich zur Rezension der geschmacklichen Dimension dieser Odyssee. Die Vorspeisensuppe wird heiß serviert, fast kochend, und duftet anregend nach Petersilie und Bohnenkraut. Rühren, Pusten, Vorfreude. Der Löffel findet Karottenwürfel, grüne Bohnen und Kräuter in der angedickten Suppe. Für die Sämigkeit sind pürierte Kartoffeln verarbeitet. Die Suppe schmeckt. Die Bohnen haben gesunden Knack und die Karotten sorgen für Süße in der sehr herzhaften dicken Brühe. Ob die Boullion-Grundlage händisch angesetzt wurde oder aus der Tüte stammt, kann leider nicht abschließend geklärt werden, das Abschmecken ist jedenfalls gelungen. Mit getunktem Brot entsteht im Mund genau die richtige aromatische Verteilung. Am Boden der Suppentasse findet man vier Scheiben Rindsbratwurst. Diese Wurst hat rein gar nichts Außergewöhnliches, man hätte sie auch weglassen können. Aber ein Gericht ohne Getötetes, wo kämen wir da hin.
Wichtig ist noch, dass die Suppe unter ständigem Rühren genossen werden muss, sonst entsteht an der Oberfläche eine dicke Haut. Üärrgh.
Fazit: Ein langer Weg zu einem winzigen Tässchen aromatischer Bouneschlupp. Das bekommt man auch zu Hause hin. Für drei Euro und ohne Betteln.