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Kritik

Spielereien

Die Ausstellung Earthbound will Phänomene der Natur durch digitale Kunst greifbar machen, bleibt aber oberflächlich und abstrakt.


Das erste Ausstellungsstück ist zunächst nichts Besonderes. Grüne Pflanzen, die in fast jeder WG hängen, ranken dort von selbstgezimmerten Schränken und fallen wellengleich von meterhohen Altbaudecken. In der Ausstellung Earthbound sind die saftigen, grünmarmorierten Pflanzenarme jedoch nicht dekorativ, sondern im Weg. Um auf dem schmalen, eisernen Steg zu den anderen Exponaten zu gelangen, müssen die Pflanzen beiseitegeschoben und berührt werden. Dabei machen sie Geräusche: klopfen, gurgeln, zwitschern. Streicheln die Finger nur zaghaft über das Blatt, klingen die Töne leise aus den Lautsprechern, läuft eine Gruppe durch den Miniaturdschungel schallt es wie im Urwald.

Das erste Exponat macht die Intention der Ausstellung am greifbarsten. Sie soll es ermöglichen, in Dialog mit der Natur zu treten und an unsere Verbundenheit mit der Erde erinnern. Earthbound hat sich dafür einen offensichtlich metaphorischen Ort ausgesucht. Die Möllerei in Esch-Belval war ein ehemaliges Rohstofflager. Hier wurden Erze und Koks gelagert, nachdem sie der Natur genommen wurden. Jetzt werden hier Werke von 19 Medienkünstler:innen gezeigt, die auf unterschiedlichste Art die Beziehung zwischen Menschen und Natur verbessern wollen. Soundeffekte, Videos, Virtual Reality. Das Verborgene soll uns bewusstwerden. Per se eine gute Idee, nur leider verflüchtigt sich der Effekt, sobald man die große, düstere Halle verlässt. Abstrakte Objekte oder aufregende Spielereien, die Exponate verharren an der Oberfläche, weit entfernt von einem tiefgehenden Appell.

Auf der ersten Ebene der beeindruckenden Halle hängen nicht nur Pflanzen, sondern auch riesige Videoinstallationen. Durch die Düsternis scheinen sie wie Sterne vor einem Nachthimmel. In Earthbound wurde eine eigene Galaxie geschaffen. Auf einem Bildschirm verfließen Landschaften, Wolken, Wälder und Blumen zu Wellen. Sie gleiten ineinander, wechseln die Farbe, man möchte Pause drücken, so hübsch sieht es aus. Das Werk wurde von einem Datenkünstler mit Hilfe einer Künstlichen Intelligenz erzeugt. So beeindruckend die Technik auch ist, die Kunst bleibt oberflächlich. Das Beiheft spricht von den „einzigen Erinnerungen an die Natur, die uns künftig bleiben werden“. Eine solche Zukunft ist beängstigend, aber durch die sinnlichen Bilder werden eher wohlige als aufrüttelnde Gefühle erzeugt. Die implizite Botschaft (”Tut etwas gegen die Klimakrise!”) gerät aus dem Fokus, falls sie jemals deutlich werden sollte.

Die Werke scheinen für eine Welt in der Zukunft, für Menschen, die noch nie Pflanzen oder Tiere gesehen haben, konzipiert worden zu sein. Besucher:innen aus dem Jahr 2022 können sie damit aber nicht anrühren. Geht man eine Etage tiefer, entdeckt man eine Holzplatte, die wie die Pflanzen oben, Geräusche von sich gibt. Sie knackt wie Holz, knarzt wie eine morsche Tür, kullert wie Murmeln. Berührt man die Oberfläche spürt man leichte Vibrationen. Das Holz soll den Waldboden symbolisieren, den der Künstler mithilfe von kleinen Mikrofonen aufgenommen hat. Das Knacken sind viele kleine Tiere, die miteinander reden. Auch dieses Exponat ist eine spannende, wissenschaftliche Idee. Wer kann schon behaupten, zu wissen, wie es im Erdreich klingt? Dennoch: Auf einer Wiese zu liegen und das Summen zu hören und Krabbeln zu spüren, mag eine tiefere Verbundenheit zur Erde erzeugen als das abstrakte Werk.

Earthbounds digitale Kunstwerke sind beeindruckend, sie faszinieren. Erdverbundenheit und Sorge um den Zustand unseres Planeten hinterlassen die abstrakten Schönheiten aber nicht.