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Interview

„Luxemburg erdrückt einen irgendwann“

Der luxemburgische Schriftsteller Maxime Weber, 28, spricht darüber, was sein erster Roman über die luxemburgische Mentalität verrät, warum es die Literaturszene im Land schwer hat und wie Rechtsextreme von der Corona-Pandemie profitieren.


Herr Weber, im Herbst 2021 wurde Ihr Debütroman veröffentlicht, Das Gangrän, wie der Begriff für Gewebesterben. Sie beschreiben darin eine unerklärliche, alles Leben vernichtende Katastrophe. Was hat Sie bewegt, über dieses Thema zu schreiben?

Maxime Weber:
Zu der Zeit habe ich mich sehr viel mit dem Tod auseinandergesetzt, sowohl auf einer philosophischen als auch persönlichen Ebene. Als ich dann geschrieben habe, kamen die ökologischen Aspekte der drohenden Klimakatastrophe hinzu. Und ich wollte immer von einer Entität schreiben, die aus einer anderen Welt in unsere eindringt, die nicht nach unseren physikalischen Regeln funktioniert und wie man damit umgeht.

Als der Roman herauskam, erlebte die Welt gerade eine globale Katastrophe, die Corona-Pandemie. Der Verlag bewarb das Buch auch damit, dass es wegen Corona so aktuell sei. War Ihnen das recht?

Ich verstehe, dass mein Verlag das so bewerben wollte. Und ich habe tatsächlich Dinge vorausgesagt im Roman, von denen ich dachte, dass sie in Luxemburg erst mit der Klimakatastrophe in 30 oder 40 Jahren kämen. Die wurden aber während der Pandemie wahr. Zum Beispiel die Szene, als sich die Hauptcharaktere vor dem Gangrän-Kult in der Tram verstecken. Das war genau der Ort in Luxemburg Stadt, an dem später die Querdenker-Demos waren und ebenfalls kultähnliche Prozessionen stattfanden, was ich sehr gruselig finde.

Der Roman spielt die meiste Zeit in einem luxemburgischen Dorf. Aber was ist denn das explizit Luxemburgische an dieser Geschichte?

Das dürfte die luxemburgische Mentalität sein. Wir glauben, dass wir eine Insel sind und Sachen, die im Ausland passieren, nicht bei uns passieren können, dass wir gefeit sind vor den Problemen der Welt. Ich vergleiche das immer mit dem Auenland in Der Herr der Ringe. Zum Beispiel Rassismus, da sagen die Luxemburger, diese Probleme haben nur die Großen.

Die Charaktere Ihres Romans haben im Ausland studiert, so wie viele junge Luxemburger:innen. Sie selbst sind fürs Studium nach München, später nach Berlin gegangen. Warum eigentlich?

Das klingt vielleicht ein bisschen dramatisch, aber Luxemburg erdrückt einen irgendwann, weil es so klein ist. Viele wollen mehr von der Welt sehen. Interessanterweise aber bleiben viele Leute, die ins Ausland gehen, dann nur unter Luxemburgern, das ist auch so eine typisch luxemburgische Sache. Viele ziehen auch wieder zurück. Ich spiele ebenfalls mit dem Gedanken, weil Familie und Freunde noch im Land sind und ich sehr in der Literaturszene in Luxemburg involviert bin.

Diese Szene fristet im eigenen Land ein Schattendasein. Woran liegt das?

Ich glaube, es ist ein gewisser Minderwertigkeitskomplex. Die Mentalität ist, zu sagen: „Wow, das ist ein guter Roman für Luxemburg.“ Wir reden uns klein und es gibt keinen Grund dafür, weil die Größe eines Landes nichts über die Qualität der Literatur aussagt.

„Die rechtskonservative Partei ist in Richtung AfD abgerutscht, also radikal rechts.“

Bevor Sie Ihren Roman schrieben, wurden Sie mit einem Blog bekannt, in dem Sie sich mit Rechtsextremen herumschlugen.

Ich habe 2011 damit angefangen, da war ich 17 Jahre alt. Ich wollte über Rechtsextreme schreiben, weil ich gesehen habe, wie sich auf Social Media rechte Gruppierungen gebildet haben. Die hatte niemand auf dem Radar, außer ein paar anderen Aktivisten, mit denen ich mich zusammengeschlossen habe. Ich war dann ziemlich aktiv bis 2019.

Wie groß ist denn die rechtsradikale Szene in Luxemburg?

Ziemlich überschaubar, aber die rechtskonservative Partei, die ADR, ist jetzt auch in Richtung AfD abgerutscht, also radikal rechts. Die sitzen auch im Parlament. Derjenige, der kürzlich zum Vizepräsidenten dieser Partei ernannt wurde, Tom Weidig, ist krasser Rassist. Von dem wurden auch Fotos entdeckt, wo er anscheinend den Hitlergruß gemacht hat über einem Hakenkreuz in einer Ausstellung. Denen ist das komplett egal.

In Deutschland wurde die Querdenken-Bewegung von Rechtsextremen unterwandert, konnte man das in Luxemburg auch beobachten?

Ja, das war ähnlich wie in Deutschland, die wurde komplett unterwandert. Und die ADR hat versucht, sich als deren Sprachrohr aufzustellen und zu sagen „Wir nehmen eure Ängste ernst.“ Die haben dann auch tatsächlich viel Zuspruch erhalten, das sieht man in Umfragen. Wenn jetzt Wahlen wären, würden die sehr viele Sitze dazu bekommen. Wir haben versucht, darauf aufmerksam zu machen, dass viele von den alten Rechtsextremen bei der Querdenker-Bewegung unterwegs waren. Die haben jeden aufgenommen.

Sie wurden von Rechtsaußen bedroht, auch Ihre Familie wurde unter Druck gesetzt. Sind Sie immer noch ein exponiertes Ziel?

Nein, weil ich mit meinem Blog nicht mehr so aktiv bin und mich eher wieder auf das Schreiben fokussiere, ist das nicht mehr so ein Problem. Ich habe auch schon lange keine Mord- oder Gewaltandrohungen mehr bekommen. Dafür haben Journalisten vom Tageblatt, einer Zeitung, mit der ich viel zusammengearbeitet habe, sehr viele Drohungen bekommen während der Corona Pandemie. Das hat stark zugenommen.

Das Gespräch führte Johannes Müller.